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Interview des Monats: FCK-Meistertrainer Kalli Feldkamp (Teil 2/2)

"Ich hoffe, dass es für unseren FCK gut geht"

26.03.2021, 11:30 Uhr - Autoren: Eric Scherer, Thomas Hilmes

Im Gespräch mit Kalli Feldkamp: Der Meistertrainer des 1. FC Kaiserslautern beurteilt in unserem Interview des Monats die aktuelle Lage auf dem Betzenberg - und erzählt Interessantes über den FC Bayern, die Nationalmannschaft und den Pfälzer Wein.

Foto: Meistertrainer Kalli Feldkamp mit seinem Kapitän Stefan Kuntz

Foto: Imago Images

Der Betze brennt: Kalli Feldkamp, 1998 wurde mal spekuliert, dass Sie die Nachfolge von Berti Vogts als Bundestrainer antreten könnten. War da was dran?

Karl-Heinz Feldkamp (86): Es gab da tatsächlich Gespräche zwischen dem DFB und mit mir, sogar auf der Tribüne in Kaiserslautern. Aber da war ich schon seit vier Jahren bei Länderspielen als Co-Kommentator beim ZDF im Einsatz, also sagte ich dem DFB: Ich hab diese Nationalmannschaft schon so oft öffentlich kritisiert, da kann ich sie jetzt unmöglich als Trainer übernehmen. Das sähe ja so aus, als hätte ich mir den Posten selbst freigeschaufelt.

Der Betze brennt: Den Job hat dann Ihr Amtsvorgänger beim 1. FC Kaiserslautern übernommen: Erich Ribbeck. Der lebt heute ebenfalls in Spanien, auf Teneriffa. Haben Sie Kontakt miteinander?

Feldkamp: Leider nein. Wir haben 2015 mal telefoniert, als Udo Lattek gestorben war, und dann auch gemeinsam mit der Witwe gesprochen. Ein ehemaliger Trainerkollege, den ich heute noch öfter sehe, ist Friedhelm Funkel.

Der Betze brennt: Ribbeck fuhr dann 2000 mit dem Nationalteam um dem damals schon 39-jährigen Lothar Matthäus zur EM 2000 und schied bereits in der Vorrunde aus.

Feldkamp: Was eigentlich keine Überraschung war. Da ist einiges von dem eingetroffen, was ich schon unter Berti Vogts kritisiert hatte. Spieler wie Matthäus und Klinsmann wurden nicht vom Nationaltrainer geführt, stattdessen führten die Spieler den Trainer.

"Es gibt nichts Schöneres, als mit einem Erfolg zu gehen"

Der Betze brennt: Heute wird Erich Ribbecks Name fast nur mit dem Zusatz "schlechtester Nationaltrainer aller Zeiten" genannt. Was er vorher geleistet hatte, sieht niemand mehr …

Feldkamp: Da sagen Sie was Richtiges. Ich hab schon Leute getroffen, die sagten: "Otto Rehhagel? Das ist doch der, der 2012 mit Hertha BSC abgestiegen ist." Und was ist mit den vielen Titeln, die er zuvor gewann? Ich habe ja auch nie verstanden, weshalb Otto nicht aufgehört hat, nachdem er 2004 mit Griechenland die EM geholt hatte. Es gibt doch nichts Schöneres, als mit einem solchen Erfolg zu gehen. Ein Misserfolg ist wie eine negative Rente, die du bis an dein Lebensende mitnimmst.

Der Betze brennt: Sie sind ja auch nochmal rückfällig geworden. 2007 wurden Sie, im Alter von 73 Jahren, noch einmal Trainer bei Galatasaray. Es heißt, Ihre Ärzte hätten Ihnen sogar ausdrücklich zu diesem Engagement zugeraten. Stimmt das?

Feldkamp: Aber ja, ich war doch topfit! Sogar mein Sohn hat zu mir gesagt: "Papa, wenn du in der Türkei medizinisch gut betreut wirst, mach dich ab." Dass ich dann nach dem 29. Spieltag aufhörte, lag auch nicht daran, dass ich krank wurde, wie später behauptet wurde. Ich hatte festgestellt, dass versucht wird, die Mannschaft an mir vorbei aufzustellen, und daraufhin erklärt: Wenn das noch einmal vorkommt, flieg' ich nach Hause. Und das habe ich dann auch getan. Galatasaray ist anschließend Meister geworden, aber das waren sie schon so gut wie, als ich ging.

Der Betze brennt: Wenn alles nach Ihren Vorstellungen gelaufen wäre, wie lange hätten Sie dann noch auf der Trainerbank gesessen?

Feldkamp: Ich hätte die Saison zu Ende gebracht, einen Nachfolger installiert und mich anschließend noch einige Monate als Ansprechpartner zur Verfügung gestellt. Ende 2008 wäre ich nach Marbella zurückgekehrt und das wär's dann gewesen, so war es auch mit meiner Frau abgesprochen. Ich war dann zwar nochmal kurzzeitig Technischer Berater bei Galatasaray, aber da machte ich dieselbe Erfahrung wie schon Jahre zuvor in Kaiserslautern: Nur noch von außen tätig zu sein und nicht mehr wirklich verantwortlich, das ist nichts für mich.

"Der DFB muss eventuell noch vor der EM über Löw entscheiden"

Der Betze brennt: Wenn Sie sich die heutige Trainergeneration anschauen, gibt's da einen Kollegen, der Ihnen besonders gut gefällt? Einen, von dem Sie sogar sagen würden, der erinnert mich an den jungen Kalli Feldkamp?

Feldkamp: Ich bewundere jeden Trainer, der seine Auffassung durchsetzt, und das sind ja immer auch die erfolgreichen Trainer. Jürgen Klopp hat gezeigt, dass er das dauerhaft kann, Thomas Tuchel vielleicht auch. Ob die jungen deutschen Trainer wie Julian Nagelsmann das ebenfalls können, muss die Zukunft zeigen. Ich schaue mir an, wie sie mit dem Erfolg sicherer werden, wie sie ihre Aussagen machen, wie sie in der Lage sind, ihre Mannschaften zu verstärken - wozu es freilich immer auch ein entsprechendes Umfeld braucht. Aber Vergleiche mit mir selbst stelle ich eigentlich nie an.

Der Betze brennt: Und wie beurteilen Sie die Situation in der Nationalmannschaft? Jogi Löw ist seit 15 Jahren Bundestrainer, wurde Weltmeister, stand zuletzt jedoch in der Kritik, nun hört er im Sommer nach der Europameisterschaft auf.

Feldkamp: Ich komme nicht damit klar, wenn ein Trainer keinen Erfolg hat, aber selbst die Entscheidung trifft, bis nach der EM weiterzumachen. Wenn ich kein sicheres Gefühl habe, bin ich auch nicht kreativ und auch nicht mutig. Und sicher bin ich nur, wenn ich Erfolg habe. Denn nur, wenn Sie Erfolg haben, glaubt man und hört man auf Sie. Das alles fehlt mir bei unserem Bundestrainer im Moment. Ich bin mal auf die nächsten Länderspiele gespannt. Wenn die Mannschaft nicht sicherer wird, muss da noch vor der EM eine Entscheidung fallen. Und die sollte nicht der Bundestrainer treffen, sondern der DFB. Darum drückt man sich bislang. Zur Entschuldigung des Bundestrainers muss ich aber auch sagen: So gute Spieler haben wir derzeit nicht, als dass er den Erfolg garantieren könnte.

"Den Stadionausbau verzeihe den dafür Verantwortlichen nicht"

Der Betze brennt: Damit sind wir in der jüngeren Vergangenheit und der Gegenwart angekommen: Wie haben Sie den 1. FC Kaiserslautern in den vergangenen Jahren wahrgenommen?

Feldkamp: Zunächst ärgert es mich nach wie vor, dass wir immer noch Schulden haben von dieser WM 2006. Das verzeihe ich keinem, der dafür verantwortlich war, den Politikern um Kurt Beck (Ministerpräsident von 1994 bis 2013 und großer FCK-Fan; Anm. d. Red.) nicht, aber auch den damaligen FCK-Verantwortlichen wie René C. Jäggi (FCK-Vorstandsvorsitzender von 2002 bis 2006; Anm. d. Red.) nicht. Man müsste heute die Fotos, für die sie während der WM posiert haben, mal irgendwo aufstellen und daneben schreiben, was Verein, Region und Land da an Geld reingebuttert haben. Unser niveauvolles Stadion wurde zu etwas umgebaut, vor dem keiner mehr Angst hat. Diese Selbstdarstellung hat ein ganzes Bundesland in den Sumpf gezogen.

Der Betze brennt: Und wie ist Ihr Blick auf die aktuelle sportliche Situation des FCK?

Feldkamp: Ich telefoniere oft mit Peter Briegel, von daher bin ich ganz gut informiert. Ich verstehe die aktuelle Konstellation nicht. Marco Antwerpen als Trainer, okay, den habe ich auch in Braunschweig schon mitbekommen. Aber wenn ich höre, dass Thomas Hengen jetzt als Geschäftsführer Sport mit auf der Bank sitzt und mit in die Kabine geht - wie kann sich ein Trainer das gefallen lassen? Das sehe ich kritisch und aus meiner eigenen Erfahrung heraus auch die Gefahr, dass die Spieler sowas spüren und den einen gegen den anderen ausspielen.

"Der Manager auf der Bank? Das hätte ich damals abgelehnt"

Der Betze brennt: Thomas Hengen ist ungefähr das, was zu Ihrer zweiten Zeit beim FCK Reiner Geye als Manager war. Mit dem haben Sie doch auch harmoniert, oder?

Feldkamp: Aber zwischen uns war immer klar: Reiner Geye arbeitet oben in den Büros und ich unten auf dem Platz. So haben wir hervorragend zusammengearbeitet. Geye hat zum Beispiel bei der WM 1990 die Verpflichtung von Miro Kadlec alleine durchgezogen, das war ein super Transfer. Und ich wäre im Januar 1990, als ich den FCK auf einem Abstiegsplatz übernahm, auch mit in die Zweite Liga gegangen, das wäre für mich selbstverständlich gewesen. Aber ein Manager neben mir auf der Bank, das hätte es bei mir niemals gegeben. Ich hatte nach der Meisterschaft ein Angebot von Bayern München, das habe ich in erster Linie deswegen abgelehnt, weil ich wusste, ich würde da einen Uli Hoeneß niemals von der Bank radieren können.

Der Betze brennt: Hand aufs Herz: Glauben Sie, dass der FCK in der 3. Liga bleibt?

Feldkamp: Peter Briegel meint, das Zeug dazu wäre da, um es zu schaffen. Also ist es möglich. Wichtig ist, dass jetzt alle zu einer harmonischen Zusammenarbeit finden, man nicht versucht, den einen gegen den anderen auszuspielen. Das gilt von Aufsichtsrat und Geschäftsleitung bis hin zu Mannschaft und Trainer. Und es muss eine klare Linie vorhanden sein. Sonst bleibt nur Chaos. Ich hoffe, dass es für unseren FCK gut geht.

Der Betze brennt: Und wie schaffen Sie es, mit 86 Jahren noch so erstklassig beieinander zu sein?

Feldkamp: Wenn ich in Marbella bin, springe ich immer mal in den Pool. Zwei, drei Mal in der Woche spiele ich mit meiner Frau Tennis. Ein großer Jogger bin ich nicht, aber meine Frau zwingt mich regelmäßig, mich nach draußen zu bewegen. Neulich hat sie mir solche Walking-Stöcke geschenkt, über solche Dinge hätte ich früher gelacht, aber heute merke ich, sie tun mir gut. Trotzdem: Wenn jemand mir einen Ball hinlegt, bin ich sofort dabei, wenn es in einen Waldweg geht, drehe ich mich lieber weg. Ich bin kein Einzelsportler, ich bin Mannschaftssportler, ich muss angetrieben werden. Darum bin ich froh, dass es mir und meiner Frau nach wie vor gut geht, und dass auch unsere Kinder so auf uns bedacht sind. Man braucht jemanden, der einen versteht, der einen auffängt und einem bei Problemen hilft. Ich hab noch keinen getroffen, der alles alleine schafft. Darum bedauere ich alle, die gerade jetzt allein sind.

Der Betze brennt: Trinken Sie noch regelmäßig Pfälzer Wein?

Feldkamp: Ich bin der Winzergenossenschaft in Wachenheim nach wie vor sehr verbunden. In Deutschland wird unsere Keller nach wie vor von Weiß- und Grauburgunder aus der Pfalz bestimmt, früher war es mal mehr Riesling gewesen. In Marbella trinken wir hingegen spanischen Wein, da nehmen wir nichts extra aus Deutschland mit. Aber lassen Sie es mich trotzdem mal so sagen: Im Mittelpunkt unserer gesunden Ernährung steht der Wein aus der Pfalz.

"Gemeinsam mit den Fans kann man beim FCK viel erreichen"

Der Betze brennt: In dem kürzlich erschienen Buch "100 Jahre Betzenberg" von Dominic Bold werden Sie mit den Worten zitiert: "In Kaiserslautern immer auf die übertriebene Erwartungshaltung zu verweisen, ist vollkommener Quatsch. Ich vermisse es, dass man die Fans als Faktor begreift, mit dem Erfolg zu schaffen ist." Wie könnte das Ihrer Meinung nach aussehen?

Feldkamp: Was mich stört - und das lese ich auch in den Vorberichten der Spiele von Eintracht Braunschweig oft: Wenn Trainer erklären, wir brauchen jetzt die Fans, die müssen uns unterstützen. Das akzeptiere ich nicht. Wir sind es, die die Fans mitnehmen, sie heißmachen müssen, wenn wir rausgehen. Um sie dafür zu entschädigen, dass sie gekommen sind, um uns zu bezahlen. Wir müssen rausgehen, um zu zeigen, dass wir stolz sind, für sie spielen zu dürfen. Und wir dürfen nicht jammern, wenn wir ausgepfiffen werden. Fans pfeifen nur, wenn du eine negative Leistung gebracht hast, die sie nicht verstehen. Gemeinsam mit den Fans kann man viel erreichen, sich wechselseitig hochpushen - das haben wir in Kaiserslautern oft genug bewiesen.

Der Betze brennt: Herzlichen Dank für das interessante Gespräch und bleiben Sie gesund!

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